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Dort, wo sich Asien und Europa treffen, gibt es unendlich viel zu entdecken! Istanbul Teil 2!

Autorenbild: Norrdine NouarNorrdine Nouar

Aktualisiert: 3. Dez. 2022


Ich habe beschlossen an diesem Morgen umzuziehen und eine andere Unterkunft, bzw. ein neues Hostel aufzusuchen. Ich bin vor etwa zwei Wochen in Istanbul angekommen und seither im Wabi Sabi Hostel gewesen. Ich erinnere mich noch daran, als ich kurz davor war in Istanbul anzukommen, dass ich überlegt habe, ob ich mir für die gesamte Zeit ein Apartment via AirBnB für ca. vier Wochen beispielsweise auf der asiatischen Seite nehmen soll oder ob ich mir ein Hostel suchen solle. Meine Überlegung war, dass ich in einem eigenen Apartment produktiver und fokussierter wäre und womöglich auch ein wenig näher und wahrhaftiger an der einheimischen Bevölkerung wäre. Dann dachte ich jedoch auch daran, dass ich mir für diese Reise vorgenommen hatte mehr mit anderen Menschen zu interagieren, mehr Zeit in der Gemeinschaft und Gesellschaft anderer Reisender zu verbringen und darüber auch tolle und inspirierende Persönlichkeiten kennen zu lernen und mit ihnen spannende, anregende und aufschlussreiche Unterhaltungen zu führen. Diese Momente gab es durchaus in diesem Hostel, wie ich bereits in den letzten Blog Einträgen beschrieben hatte. Nun musste ich nach einer Weile feststellen, dass das Wabi Sabi eher eine Art “Party Hostel” war. Es waren hauptsächlich junge internationale Gäste, die mit anderen eine tolle Zeit verbringen wollten, ein bisschen Istanbul besichtigten und hauptsächlich abends in Bars, Clubs und Diskotheken, bis früh in den Morgen gingen. Das ist auch alles gut so, aber ich hatte für mich einfach festgestellt, dass ich einen Umgebungswechsel brauchte und die "Party Animals" hinter mir lassen wollte. Womöglich bin ich für diesen Lifestyle schon zu alt? Sicher ist, dass ich einen ganz klaren Fokus hatte, den ich weiterhin auf meiner Reise verfolge. Ich wollte weiterhin die Stadt erkunden, Land und Leute näher kennenlernen, in die verschiedenen Kulturen eintauchen, die Lebensrealitäten vor Ort verstehen und parallel dazu konzentriert an meinem Buch arbeiten und schreiben, während ich auf mein Visum für Russland und meine Gletscherausrüstung aus Deutschland warte. Also ging ich ein allerletztes Mal auf diese wundervolle Dachterrasse, frühstückte, genoss die Aussicht und trank dabei meinen türkischen Tee. Anschließend ging ich hinunter und packte meinen Rucksack und marschierte los, den Berg hinab in Richtung Taksim und von dort weiter abwärts hinunter zum Nebenarm des Bosporus.

Noch durch eine Unterführung und ein paar Meter weiter komme ich endlich am Radomon Hostel an. Dies wird meine neue Unterkunft für die nächsten Tage sein. Es ist schon irgendwie ein merkwürdiges Gefühl, nirgendwo zu Hause zu sein. Es gibt keinen festen Ort mehr an den man sich zurück ziehen kann oder den man sein zu Hause nennt. Natürlich gibt es noch meine Heimat in Deutschland und, wenn ich an Zuhause denke, denke ich meistens an die Menschen, die mir viel bedeuten, an Familie und Freunde, beispielsweise im Allgäu, wo ich zuletzt zu Hause war aber auch an meine Geschwister und Familie, die zum Teil in der Nähe von Nürnberg leben, der Gegend in der ich aufgewachsen bin und Heimat nennen würde oder meine Schwester in Berlin oder meine Mam und meinen kleiner Bruder in Spanien. Dies sind alles irgendwie Orte und Menschen, mit denen ich mich heimatlich verbunden fühle. Gleichzeitig ist mein Heimat Begriff wahrscheinlich nicht so stark mit einem Ort verwurzelt, wie es bei den meisten Menschen der Fall ist. Das liegt zu einem Großteil wohl daran, dass meine Mam aus dem Osten Deutschlands noch vor dem Mauerfall gekommen ist und wir bereits an meinem Geburtsort in Fürth nicht extrem tief in die Umgebung verwurzelt waren. Darauf folgten bereits bis zu meiner Einschulung weitere Umzüge und somit “Szenen und Heimatwechsel”. Ich musste mich sehr früh daran gewöhnen, mich an neue Umgebungen und Bedingungen anzupassen, neue Menschen kennenzulernen und mich auf neue Realitäten einzulassen. Sehr schnell habe ich gelernt, dass das Heimatgefühl nicht mit einem speziellen Ort verbunden ist, sondern, dass das Heimatgefühl entsteht, wenn man sich an einem Ort wohl fühlt, zufrieden mit der Gesamtkonstellation ist und wertvolle Menschen, die einem viel bedeuten in der Umgebung hat.

An der Rezeption werde ich sehr freundlich empfangen und ich spüre sofort, dass die Mitarbeiter sehr nett und bemüht sind, dass man sich hier auf Anhieb wohlfühlt. Die Rezeptionistin war sehr jung, trug ein weißes Kopftuch und hatte eine Spange, sie hatte eine helle Haut und war ein wenig schüchtern, ihr Englisch war sehr gut und sie grinste die ganze Zeit, während sie mir alles erklärte. Sie nahm meine Bezahlung per Kreditkarte entgegen, händigte mir meine Zimmerkarte mit der Nummer 603 aus und wünschte mir einen angenehmen Aufenthalt im Hostel und in Istanbul. Ich bedanke mich bei ihr und steige die vielen Treppen des Hostels hinauf in mein Zimmer, um meinen Rucksack abzustellen und das Hostel zu erkunden.

Es ist ein sehr sauberes und ordentliches Hostel. Sehr gut organisiert und modern eingerichtet. Das gesamte erste Stockwerk oberhalb der Lobby ist ein großer “Workspace” oder “Chill Area”, wie man auf Neudeutsch sagen würde. Von der Lobby führt noch eine Treppe hinab zur Küche bzw. Frühstücksbereich, wo auch viele Leute über den Tag verteilt arbeiten. Die Zimmer sind ebenfalls sehr nett eingerichtet und haben jeweils mehrere Badezimmer für die Gäste. Jeden Morgen kommt ein ganzer Reinigungstrupp in jedes Zimmer und bringt alles wieder in Ordnung und sorgt dafür, dass das Hostel sehr sauber bleibt. Ich würde behaupten, dass dieses Hostel das sauberste in Istanbul war, denn ich werde noch mehrere Hostels besuchen. Nachdem ich mir einen ausreichenden Überblick über das Radomon Hostel verschafft habe, widme ich mich nun endlich meiner eigentlichen Beschäftigung, die ich mir für diesen Tag vorgenommen hatte. Ich werde losziehen und die Stadt erkunden. In meinem letzten Blog hatte ich ja beschrieben, dass der Große Bazaar bereits geschlossen war und ich die Hagia Sophia nur von außen bei Nacht besichtigt hatte.

Ich verstaue mein gesamtes Gepäck auf meinem Zimmer und steige leicht wie eine Feder die Treppen hinab in die Lobby und gehe durch die Glastür hinaus in den sonnigen, noch sehr frühen Tag. Ich überlege einen kurzen Moment, ob ich mit der Metro fahren soll, entscheide mich dann aber dazu, die Stadt zu Fuß zu erkunden, denn ich will heute so viel wie möglich von der Stadt sehen, riechen, hören, fühlen, schmecken und erfahren. Ich laufe also durch einige Gassen und enge Passagen, verschiedene Treppen und Berge hinab und komme dabei an allerlei interessanten Cafes und Geschäften vorbei.




Nach einer Weile Bergab komme ich in verschiedene Handwerkerviertel der Stadt. Es ist spannend anzusehen, wie die verschiedenen Artikel bzw. Gewerke aufgeteilt sind. Ich laufe durch ein Viertel voller Lampen und Beleuchtung aller Art. Passend dazu komme ich anschließend durch einige Straßen, in denen man allerlei Elektronikbedarf findet, wie beispielsweise Kabel, Fassungen, Schalter, verschiedenste Dosen, Hülsen, Fassungen, Werkzeuge und vieles mehr für den Elektroinstallationsbereich. Ich gehe weiter und komme anscheinend in das Metallverarbeiter Viertel. Plötzlich riecht es nach Metall, Metallstaub, Schmierölen und vielem mehr. Man findet alles vom Schraubenhändler, Gewindeschneider, Profil- und Stangen Verkauf, Metallwinkel, Konstruktionsschinen, Werkzeuge, Hilfsmittel und mehr. So gehe ich eine ganze Weile durch die Gassen, bis ich an eine Brücke gelange, die den Fluss, das sogenannte goldene Horn, überspannt. Unterhalb der Brücke finden sich viele Restaurants, die auf Meeresfrüchte spezialisiert sind.

Zwei kleine Videos, damit ihr einen Eindruck von diesem Ort bekommt. Wahrscheinlich sollte ich gar nicht dort unten zwischen den Gängen rumspringen.


Links und rechts der Brücke sind zwei Docks, von denen viele Fähren starten und zurück kommen.

Oben auf der Brücke findet man je nach Tageszeit sehr viele Angler entlang der gesamten Brücke. Es riecht nach Meer, salziger Luft und frischem Fisch, während man die Brücke überquert. Ich beobachte die vielen Angler und denke darüber nach, ob sie so ihren Lebensunterhalt bestreiten und ob sich das für sie lohnt? Verkaufen sie die Fische, die sie gefangen haben, an die Restaurants unter ihnen?

Oder nehmen sie sie mit nach Hause und verzehren sie selbst? Ich frage mich, wie viel man damit am Tag oder im Monat wohl verdienen kann. Einerseits denke ich, dass das so viel nicht sein kann, dann wiederum sehe ich dort so viele Angler und denke mir, dass es sich wohl doch irgendwie für sie lohnen muss. Die Brücke ist sehr belebt mit all den Anglern, vielen Menschen, sowie Autos und Bussen, die sie permanent überqueren. Wenn ich den Blick nach Rechts, tiefer entlang des goldenen Horns werfe, sehe ich viele weitere Brücken und eine extrem dicht besiedelte Stadt, zahlreiche Moscheen und Minarette und eine große rote türkische Flagge, die im Wind weht.

Wenn ich geradeaus bzw. leicht nach links blicke, sehe ich erneut mehrere Moscheen und eine besonders große, die majestätisch auf einer Anhöhe vor der Brücke steht. Es handelt sich dabei um die sogenannten Yeni Cami, Rüstem Pasa Cami und die Ahi Celebi Cami.

Ein wenig weiter links erkennt man in der Ferne die wundervolle Hagia Sophia. Man erkennt sie an ihrer einzigartigen Form und Farbe. Sie ist leicht rötlich, denn sie wurde überwiegend aus Ziegelsteinen erbaut. Die Dächer und Kuppeln sind eine Mischung aus Blau und Grün und sehen bereits etwas verblasst aus. Man kann aus der Ferne bereits erahnen, wie alt dieses Bauwerk sein muss. Bei genauerem Hinsehen erkennt man zwischen den Bäumen auch die Sultan Ahmed Moschee, die ihr gegenüber steht.

Blickt man noch weiter nach Links sieht man, wie das goldene Horn in den Bosporus mündet und man erblickt einen riesigen dunkelblauen Strom, der die zwei Kontinente Europa und Asien und somit auch die beiden Hälften der Stadt voneinander trennt. Zwei große Kreuzfahrtschiffe links und rechts des goldenen Horn liegen gerade vor Anker und die Passagiere erkunden wohl gerade ebenfalls diese wundersame Stadt. Der Stadteil direkt am Ufer auf der asiatischen Seite heißt Üsküdar. In der Ferne erblickt man auf der anderen Seite noch eine Art Funkturm oder so etwas Ähnliches, jedoch sieht es so futuristisch aus, dass man denken könnte, es handelt sich dabei um eine hypermoderne Rakete, die jeden Moment in den Orbit oder zu einem anderen Planeten ins Weltall startet. Ein weiteres Stück links davon erkennt man bereits von hier aus der Ferne eine riesengroße Moschee hoch oben auf einem Hügel mit sechs majestätischen Minaretten. Es ist die Camlica Camii und sie ist Luftlinie ca. 7km von mir entfernt und ich erkenne von hier bereits, dass die Ausmaße einfach riesig sind.

Beim Blick zurück sieht man sofort, wie die Stadt steil zu einem Berg hin ansteigt und den Galata Tower, der über dem Stadtteil Karaköy ragt und hinter dem sich der Stadtteil Taksim befindet. All diese Orte werden wir in den nächsten Tagen näher besichtigen und lassen uns dabei von der Magie der einzelnen Orte einfangen.

Nun geht es aber erstmal zum großen Bazaar, dem sogenannten Kapali Carsi, im Stadtteil Eminönü bzw. Fatih im Stadtviertel Beyazit. Das erste Mal wurde ich wohl so richtig durch den James Bond Film Skyfall auf diesen Bazaar aufmerksam. Umso spannender finde ich es nun, diesen Ort zu besichtigen. Ich selbst habe nicht sonderlich viel für “Shopping” übrig. Zum einen, weil ich mich derzeit auf Reisen befinde und nur mit mir tragen kann, was ich tatsächlich auch dringend benötige und es daher in meinem Leben, aber vielmehr in meinem Rucksack und somit auf meinen Schultern derzeit keinen Platz für Krimskrams, Deko oder andere schöne und mit Sicherheit auch nützliche aber derzeit nicht benötigter Dinge gibt. Alles, was ich mit mir führe, muss einem ganz essentiellen Nutzen in meinem Reisealltag dienen. Nicht mehr und nicht weniger. Ich schreite zwischen den Gassen durch ein Tor und befinde mich nun offiziell auf dem “Großen Bazaar”. Es ist das Bücherviertel und überall wo man hinblickt, sieht man Bücherläden, von alten und gebrauchten Büchern, bis hin zu neuen Büchern, über Schreibwaren und zuletzt sieht man auch viele Läden, die den Koran, die Heilige Schrift der Muslime in allen faszinierenden Ausprägungen verkaufen. Diese Bücher sehen wunderschön und mystisch zugleich aus. Gleichzeitig begegne ich ihnen mit einer gewissen Ehrfurcht, denn diesen Menschen ist dieses Buch, diese Schrift überaus wichtig, deswegen traue ich mich nicht, eines in die Hand zu nehmen und darin zu blättern. Ich muss jedoch zugeben, dass mich ihre hingebungsvolle Anmutung fasziniert. Tatsächlich gibt es viele Parallelen zwischen der Bibel und dem Koran, so ist auch dort von Abraham (Ibrahim), Mose (Musa), Maria (Maryam) und Jesus (Isa) die Rede. Ich gehe langsam an den verschiedenen Ständen vorbei und betrachte aufmerksam und neugierig alles, was sich vor mir abspielt. An dieser Stelle ist der Bazaar noch offen, bzw. nicht überdacht und ich stehe auf einer Art Vorplatz, mit Dächern aus Stoff, dazwischen große Bäume und Sitzgelegenheiten. Es ist hier sehr ruhig und entspannt, lediglich das unaufgeregte, geschäftige Treiben der Händler und Bücherwürmer ist zu vernehmen.

Ich gehe ein Stück weiter und komme in den überdachten Teil des Bazaars. Das Angebot der Waren und auch die Geräuschkulisse in diesen überdachten Hallen und Gängen verändert sich nun schlagartig. Die Gänge sind gefüllt und laut, ein konstanter Hall und Grundrauschen der Händler und Marktbesucher ist allgegenwärtig und man findet vielerlei wundersame Dinge.

Auch hier gibt es wieder unterschiedlichste Viertel, in denen unterschiedliche Waren angeboten werden. So gibt es beispielsweise einen Antiquitäten Bereich, in dem uraltes Zeugs jeglicher Art angeboten wird. Einen Juwelier Bereich, in dem man Gold- und Silberschmuck, als auch Juwelen und Ringe aller Art finden kann. Zum Lederbereich gelangt man, wenn man eine Treppe hinauf steigt, während einem der Geruch von Leder-Erzeugnissen und den Hilfsmitteln zur Behandlung des Leders umgibt. Ich laufe eine ganze Weile durch die verschiedensten engen Gassen und Gänge, blicke in die Geschäfte, atme die verschiedenen Düfte ein und betrachte das Schauspiel. Dabei beobachte ich, dass viele der Touristen nicht wirklich wissen, wie man verhandelt. Die Preise auf dem Bazaar sind für türkische Verhältnisse lächerlich hoch, da eine konstante Flut, temporärer, nichtsahnender und anscheinend überbezahlter Touristen regelmäßig und Tag für Tag aufs Neue in Ihre Hallen und Gänge gespült wird. Ich beobachte das Phänomen etwas amüsiert und beschließe mir mitten in diesem Bazaar ein Restaurant zu suchen, denn ich habe Hunger und möchte gleichzeitig das Schauspiel, die Atmosphäre und die Kulisse noch etwas länger auf mich wirken lassen.

Ich bestelle mir einen traditionellen Hackfleischspieß mit gewürztem Ebli, etwas Salat und einen türkischen Kaffee dazu. Anschließend besichtige ich noch den alten und den ägyptischen Bazaar, die direkt in der Nähe sind.



Nach einer Weile habe ich genug gesehen und vor allem gegessen und beschließe, den Bazaar in Richtung Apollo-Säule zu verlassen. Diese 57 Meter hohe Säule wurde im Jahr 330 nach Christus auf Befehl Konstantins des I. vom Tempel des Apollo in Rom entfernt und in Istanbul im damals sogenannten Forum des Konstantin auf einem der Sieben Hügel der damals neuen Stadt errichtet. Die Säule besteht aus 8 Elementen, die jeweils 3 Tonnen wiegen und einen Durchmesser von 3 Meter haben. Damals stand noch eine Skulptur des Apollo auf der Spitze der Säule, welche später von ihm durch eine Skulptur von ihm selbst ersetzt wurde. Zu Zeiten des Byzantinischen Reichs wurde die Figur des Konstantin dann durch die damaligen Herrscher Julianus und Theodosius ersetzt. Im Jahr 1081 n. Chr. wurde die Säule von einem Blitz getroffen und zusammen mit der Statue zerstört. Anschließend wurde sie repariert und ein großes Kreuz auf ihr platziert. Das Kreuz wurde entfernt, als die Osmanen die Stadt 1453 einnahmen. Die Geschichte ließe sich noch weiter erzählen, aber ich erspare euch den Rest an dieser Stelle.

Nun zurück an den Ort, an den ich schon so lange denken muss und der in mir seit jeher, seit ich von ihm hörte, Faszination und Bewunderung ausgelöst hat. Ihr wisst, wohin es jetzt geht. Richtig, wir gehen erneut zur Hagia Sophia, jedoch diesmal bei Tageslicht und wir sehen uns dieses Wunderwerk diesmal von innen an. Ich kann es kaum erwarten! Von der Säule des Apollo sind es keine fünf Minuten dorthin. Ich gehe erneut durch die Sicherheitsschleuse und befinde mich wieder auf dem wundervollen Vorgarten zwischen Hagia Sophia und der Sultan Ahmet Moschee.

Ich wende mich nach links und schreite auf das antike Monument zu. Seit etwa 1500 Jahren steht sie dort nun schon und hat viele verschiedene Kaiser und Herrscher kommen und gehen gesehen. Ein solches Bauwerk, mit solch einer riesigen und hohen, frei schwebenden Kuppel, die nur auf vier Säulen gestützt ist zu bauen, hat es zu der Zeit noch nicht gegeben und es war nicht einmal sicher, ob es denn überhaupt möglich wäre. Hinzu kommt noch, dass die Stadt regelmäßig von Erdbeben heimgesucht wird, weshalb die Anforderungen an die Konstruktion umso höher sein müssen, bzw. das Gebilde umso anfälliger ist. So war die massive, zentrale Kuppel damals durchgängig auf dem Sockel platziert ohne die Fenster dazwischen, die wir heute sehen. Es war nur eine Frage der Zeit, dass diese Kuppel einmal einbrechen würde. Und so geschah es auch im Jahr 558 n. Chr. in Folge eines Erdbebens. Daraufhin wurde die Kuppel neu designed und aufgebaut, diesmal sogar 6,1m höher mit einer Vielzahl integrierter Verstärkungen, um die Kräfte des Gewichts besser zu verteilen.

Jedoch zeigte sich nach einigen Erdstößen, dass die Kuppel an dieser Stelle immer Risse bildete, also kam man auf die Idee, die Fenster in die Kuppel zu integrieren, um dadurch die Rissbildung zu verhindern. Und tatsächlich hat es funktioniert, zumindest die Rissbildung einzudämmen. Das Gebäude ist jedoch immer noch durch Erdbeben gefährdet und experten befassen sich bis zum heutigen Tag damit, wie das Bauwerk am besten geschützt werden könnte. Es waren diese verwegenen Pioniere der Menschheit, die es jedes Mal wagten, die Grenzen des Bekannten und des “Machbaren” zu hinterfragen und zu sprengen, um diese Meisterleistungen der Menschheitsgeschichte und somit auch ihre Entwicklung voranzutreiben. Die Hagia Sophia war für über 1000 Jahre die größte Kathedrale der Welt, bis die Kathedrale in Sevilla fertiggestellt wurde und hatte die größte Kuppel der Welt, bis der Petersdom erbaut wurde.

Ich nähere mich dem Platz vor der Kathedrale/Moschee/Museum und stelle mich in die längere Schlange. Es scheint sehr schnell voran zu gehen und ich muss nicht lange warten, bis ich durch die erneute Sicherheitskontrolle zum Vorplatz gelange. Nun stehe ich vor dem Portal und blicke ehrfürchtig nach oben und bestaune jedes einzelne noch so kleine Detail. Die vielen Säulen in der Nähe des Eingangs und die Bögen, die die Konstruktion stützen, sowie die Minarette, die nachträglich dazu gebaut wurden.

Ich trete durch die erste Pforte und befinde mich in einer Art Vorraum. Dort sieht man zuerst moderne Tafeln an den Wänden hängen, die erklären, wie die Kathedrale damals, nach der Eroberung 1453 durch Sultan Mehmed II. zur Moschee ernannt wurde. Als die Stadt damals erobert wurde, flüchteten viele Bewohner in die Hagia Sophia, doch viele von ihnen wurden geschändet oder versklavt. Wahrscheinlich wurden diese Tafeln kürzlich dort aufgehängt, denn 1934 erklärte Atatürk die Hagia Sophia zu einem Museum, wodurch die Diskussion, ob Kathedrale oder Moschee hinfällig wurde. Erst kürzlich im Jahr 2020 erklärte Erdogan die Hagia Sophia zur Moschee und es finden wieder muslimische Gebete in ihr statt. Mein Blick wandert sofort nach rechts und ich erblicke einen alten steinerne Sarkopharg und alte Steintafeln an den Wänden.

Ich gehe durch ein weiteres Tor und stehe nun auf einem grün marmorierten Boden. Die Beschaffenheit und Farbe des Bodens fasziniert mich bereits und ich wünsche mir, ich könnte für einen Moment alle Besucher wegzaubern und mit meiner Handfläche über diesen uralten Boden fahren. Unzählige Schritte von Millionen von Menschen gingen über diese grüngrauen Marmorplatten. Man kann richtig sehen, wie die Schwelle am Eingang bereits von den vielen Schritten in der Geschichte abgenutzt wurde und eine tiefe Wölbung hervorgerufen hat. Ich gehe in die Hocke und fühle mit meiner Hand den Boden und spüre die glatte und sanfte Oberfläche an meiner Hand.


Ein Blick nach oben an die Wände und Gewölbe, sowie die verzierten Türen und verschiedenen Bilder, Muster und Formen löst fast schon eine optische Reizüberflutung in mir aus. Es sind so viele Elemente auf einmal zu entdecken, Elemente der Antike und der Christenheit, Türen und Tore mit Symbolen aus dem alten Rom und frühe Zeichnungen von Jesus und Engeln, aus der Zeit, als der christliche Glaube gerade seinen Siegeszug über die Welt antrat und begann sich rasant in Europa zu verbreiten. Ich bin erstaunt, dass die muslimischen Eroberer diese Zeichnungen und Symbole zum Teil bestehen ließen. In diesem Raum ist nun bereits der erste Teppich ausgelegt und man wird, so wie es in einer Moschee üblich ist, aufgefordert, die Schuhe auszuziehen und in einem der vielen Regale mit nummerierten Fächern zu verstauen. Männer müssen Hosen tragen, die die Knie bedecken, und Frauen müssen ihr Haupt bedecken.

Diese Regeln gelten alle erst wieder seitdem die Hagia Sophia kein Museum mehr ist. Ich packe meine Schuhe in eines der Fächer und schreite ganz langsam durch das hohe Portal ins Zentrum des Bauwerks der sogenannten Naos (griechisch für Tempel) und staune, während ich meinen Blick wandern lasse.


Wie angewurzelt stehe ich da und weiß gar nicht, welchem Element ich als erstes meine Aufmerksamkeit widmen soll. Der eindrucksvollen 56 Meter hohen Kuppel oder einer der vielen kleinen Nebenkuppeln? Den faszinierenden und geheimnisvollen Emporen? Den vielen Bildern, Zeichnungen, Malereien und Symbolen überall? Den Kronleuchtern oder den dunkelgrünen Säulen? Ich schreite langsam über den weichen und flauschigen Teppichboden entlang und bewege mich in das absolute Zentrum unter die große Kuppel, blicke nach oben und staune für eine ganze Weile, während ich versuche jedes kleine Detail, wie die vielen Fenster, Formen und Zeichnungen mit meinem Auge zu erfassen. Sogar einen schmalen Gang entlang der Kuppel und auf mehreren Ebenen gibt es dort oben. Man könnte womöglich Stunden und Tage hier verbringen und man würde immer wieder neue und erstaunliche Details entdecken, die man zuvor nicht gesehen hat.

Ich schreite langsam und voller Bewunderung durch alle Bereiche der Hagia Sophia und nehme jedes noch so kleine Detail in mich auf. Man sieht große muslimische Schriftzeichen. Ich glaube, sie zeigen den Namen Allah, und Mohammed und noch eines, das mir gerade nicht einfällt. Hinter drei großen weißen Tüchern sind Zeichnungen der Christen verdeckt, die in der Moschee nicht mehr zu sehen sein sollen. Das ist meiner Meinung nach immer noch besser, als die Zeichnungen komplett zu entfernen. Beim genauen Hinsehen entdeckt man in der alten Kathedrale jedoch überall christliche Zeichen, Symbole und Bilder. Die aufwändig verzierten und detailreichen Kapitelle der massiven Säulen sind aus hellem, prokonnesischem Marmor gefertigt. Die Wände sind zum Teil mit Porphyrplatten getäfelt und man erkennt an ihnen eindrucksvoll ihre vulkanische Entstehungsgeschichte, in der viele grobe Steine in einer feinkörnigen Masse eingebettet wurden und anschließend erkalteten. Die vielen Fenster lassen ein eindrucksvolles Lichtspiel zu, wofür die Hagia Sophia ganz besonders bekannt ist. Ich blicke nach vorne zum Altar und stelle mir vor, wie es wohl war, als hier damals Messen abgehalten wurden und Christen beteten. Am Rand des Zentrums setze ich mich auf den Boden und lasse meine Fantasie noch einmal schweifen. Der Kaiser soll damals 537 n. Chr. als der Rohbau fertig war und eingeweiht wurde, voller Erregung auf seinem Triumphwagen in die Halle hineingefahren sein und Gott gedankt und ausgerufen haben:


„Ruhm und Ehre dem Allerhöchsten, der mich für würdig hielt, ein solches Werk zu vollenden. Salomo, ich habe Dich übertroffen.“


Während ich so dasitze und die übermächtige Atmosphäre weiter auf mich wirken lasse, beginnt plötzlich das Gebet. Man kann viele Meinungen darüber haben, ob die Hagia Sophia, Kirche oder Moschee ist oder ob es richtig war, sie zum Museum zu machen oder ist es vielleicht sogar möglich, dass es ein Gotteshaus für beide (bzw. alle drei Orthodoxe gehören auch dazu) Religionen ist?

Ich denke, es ist ein Geschenk, dass dieses Gebäude bei all dem Hin und Her, Kriegen und Übernahmen, Erdbebengefahr und religiösen Konflikten immer noch steht und zumindest für alle Menschen der Welt zugänglich ist. Und womöglich wird es viele weitere Konflikte überstehen, Präsidenten kommen und gehen sehen und historische Menschheitsereignisse miterleben, wenn wir schon lange zu Staub zerfallen sind und dieses Monument immer noch majestätisch dort am Bosporus thront. Ich lausche dem Gebet und verweile noch so lange, bis es zu Ende ist. Während ich mich so umsehe, entdecke ich noch ein lustiges kleines Detail.

Sie sind einfach überall! Sogar in der Hagia Sophia und pennen, wenn der Muezzin in voller Lautstärke betet. Absoluter Wahnsinn diese Tiere.

Als ich die Mosche verlasse ist es draußen bereits dunkel, denn die Tage werden signifikant kürzer und ich mache mich zu Fuß zurück auf den Weg in Richtung Taksim Square. Also geht es erneut zurück über die Fischerbrücke bei Nacht, durch ein paar Unterführung und durch den Stadtteil Karaköy.









Der Galata Tower ist ein imposantes 66 Meter hohes Bauwerk und bietet wohl den besten Ausblick über ganz Istanbul. Er wurde zur Zeit des Byzantinischen Reichs im Jahr 527 erbaut und 1204 bei der Eroberung Konstantinopels zerstört. Die ursprüngliche Funktion ist nicht ganz geklärt, ob er als Leuchtturm diente, eine Befestigungsanlage war oder von ihm nach Bränden ausschau gehalten wurde, ist nicht ganz klar. Vom Stadtteil Galata kommt man in kürzester Zeit direkt über eine lange, breite Straße zum Taksim Platz. Diese Straße ist eine ziemlich beliebte und gut besuchte Shoppingmeile. Es fährt eine alte Straßenbahn durch sie hindurch und links und rechts finden sich viele Geschäfte aller Art. Verschiedenste internationale Marken und Firmen, Geldwechselstuben aber auch einheimische Produkte, Süßwaren (natürlich) und Cafes findet man hier.

Der gesamte Bereich rund um den Taksim Platz ist extrem belebt und Tag und Nacht viel besucht. Viele einheimische aus Istanbul sind hier, aber auch türkische Touristen aus der gesamten Türkei kommen hierher.

Dazu kommen auch noch die vielen internationalen Touristen, denn Istanbul ist eine durchaus sehenswerte und internationale Stadt, die einen Besuch wert ist. Da ich schon wieder etwas hungrig bin von den vielen Düften, die mir in die Nase steigen, beschließe ich einen Döner Kebap made in Istanbul zu probieren.