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Die Königsetappe von der Skihütte Zams zur Braunschweiger Hütte im Ötztal! Tag 4 der E5 Wanderung.


Es ist 05:00 Uhr morgens, ein unruhiger Lärm dringt nach und nach über meine Ohren in mein Bewusstsein und reißt mich aus meiner REM-Phase. Die Nacht, die ich diesmal nicht im Zelt, sondern auf der Hütte verbracht habe, endet somit für mich leider schon sehr früh an diesem Sonntag. Die Jungs bei mir im Zimmer sind anscheinend Frühaufsteher und es herrscht bereits reges Treiben, daher ist es zu dieser frühen Stunde bereits ziemlich laut im Matratzenlager und an Schlaf ist kaum noch zu denken. Verschlafen reibe ich mir vergeblich die Müdigkeit aus den Augen, rutsche nach vorne zur Bettkante und ziehe mir meine Hose an, während ich irritiert zu meinen Zimmergenossen hinüber blicke. "Gibt es Frühstück nicht erst ab 07:00 Uhr oder habe ich irgendetwas verpasst?" Denke ich mir. Ich schätze, manche Menschen sind wohl im Gegensatz zu mir einfach Frühaufsteher und beginnen den Tag gerne vor allen anderen. Zu dieser Kategorie zähle ich definitiv nicht, auch wenn es eine tolle Tugend zu sein scheint, bin ich hingegen der nachtaktive Typ und folglich auch eher der Langschläfer. Ich kann natürlich auch früh aufstehen, wenn es sein muss und bin morgens ziemlich schnell recht energetisch und gut gelaunt, aber wenn ich es mir aussuchen kann, schlafe ich doch lieber etwas länger. In den Bergen oder an Gipfeltagen ist das natürlich etwas völlig anderes, aber diese Etappen der Alpenüberquerungen, obwohl sie recht lang sind, erfordern es jetzt nicht unbedingt extrem früh wach zu sein. Gut, dann beginnen wir den Tag halt etwas früher! Noch ein wenig verplant gehe ich über den Gang zum Waschraum, wasche mir mit kaltem Wasser das Gesicht, putze meine Zähne und hol mir ein Status Update vom Spiegel vor mir. Bisschen zerknirscht sehe ich aus und mehr graue Haare sehe ich doch auch schon wieder hervorblitzen, rede ich mir scherzend ein. Das Übliche halt, wenn man mit 34 morgens in den Spiegel schaut. Ich mache mich für den Tag fertig und gehe hinunter zum Frühstücken. Es haut mich nicht gerade vom Hocker und als Veganer schaut man Heutzutage meistens noch in die Röhre, aber das ist halb so wild, denn ich werde trotzdem fündig und hatte mich im Vorfeld sowieso darauf eingestellt, dass die Ernährung die nächsten beiden Jahre nicht gerade einfach werden wird und, dass ich wohl des öfteren Ausnahmen machen werde. Ich unterhalte mich beim gemeinsamen Frühstück wieder mit einigen Leuten und sage auch zu Rosario und Christoph aus Ecuador Guten Morgen, als ich die beiden entdecke. Wir unterhalten uns kurz ein wenig und anschließend mache ich mich um etwa 08:30 Uhr auf den Weg!

An diesem Morgen geht es zu Beginn gleich mal wieder steil hinauf entlang der Skipiste.

Ich entdecke auf dem Weg nach oben wieder ein paar Pferde und freue mich über den Anblick, wie sie dort so friedlich grasen. Da ich gestern Nacht in völliger Dunkelheit zur Hütte aufgestiegen bin, schaue ich mich erstmal ein wenig um und lasse meinen Blick zurück zur eindrucksvollen Bergkette wandern, die ich gestern überquert habe.

Ich steige weiter hinauf zur Venet Bergbahn auf 2212 hm und bin nun wieder völlig wach und im Tag angekommen, nachdem mein Kreislauf gleich wieder zu Beginn angeregt wurde und ich die tolle Bergluft und das Panorama genießen durfte.

Als ich gerade die letzten Schritte über die Kuppe hinauf zur Bergbahn laufe, begegne ich Lex aus den Niederlanden, der im Moment meines Aufstiegs bereits begeistert und mit breitem Lachen im Gesicht Fotos von mir schießt.

Er erzählt mir, dass er Fotograf ist und hört gar nicht mehr auf, Bilder von mir zu schießen. Das geht dann auch noch die nächsten beiden Stunden so weiter, während wir gemeinsam zum nächsten Gipfel aufsteigen und den Grat entlang wandern.

Der Weg führt von dieser Station hier oben weiter hinauf zum Kreuzjoch und von dort aus eine wunderschöne Gipfelkette entlang. Das Panorama ist herrlich anzusehen, denn man kann gut auf das Tal aus dem man gerade kommt zurückblicken und dabei auch die Bergformation dahinter bestaunen, aus der man tags zuvor ins Tal nach Zams abgestiegen ist.

Gleichzeitig kann man bereits ins nächste Tal, das sogenannte Pitztal, hinab schauen und erkennt auch dort bereits auf der anderen Seite, wie sich wieder eine neue gewaltige Bergformation im Süden auftürmt. Jetzt verstehe ich auch, warum man diesen Tag auch die Königsetappe nennt.

Ich treffe unterwegs viele Gesichter wieder und es entsteht langsam eine gewisse Vertrautheit mit den E5 Gängern, die man Tag für Tag aufs Neue wiedersieht. Es ist eine herrliche Wanderung hier oben auf dem Bergrücken. Je nachdem, wie viel Zeit man sich lässt, wandert man hier etwa zwei Stunden den Bergrücken entlang.

Man kommt gleich an mehreren Gipfeln vorbei und immer wieder treffe ich neue Gesprächspartner unterwegs, die ich bzw. die mich ein Stück des Weges begleiten.

Da seht ihr Lex vor mir, wie er sich immer wieder mal umdreht und Bilder von mir schießt. Er scheint offensichtlich seinen Spaß dabei zu haben.

Ihr habt es gehört "It is amazing weather today" und ja das ist es tatsächlich und entspricht genau meinem Geschmack einer guten Bergtour! Ich bleibe bei jedem tollen Anblick stehen und schieße vergnügt Bilder, mache Videos und genieße die Aussicht zu allen Seiten. Man kann sich gar nicht entscheiden, in welches Tal man lieber blicken will!


Ich habe den höchsten Punkt des Bergrückens bereits passiert und laufe nun auf das Ende der Gratwanderung und somit auf den letzten Gipfel zu.

Nach der eindrucksvollen und angenehmen Höhenwanderung führt der Pfad nun ins Tal hinab.

Ich schnalle meinen Rucksack fest an meinen Rücken und schieße im Laufschritt hinunter ins Tal.

Auf dem Weg bleibe ich gelegentlich stehen und genieße den herrlichen Ausblick.

Als ich so den Berg hinunter laufe spüre ich nun eindeutig, dass meine Beine, meine Schultern, meine Bauchmuskeln, ja mein gesamter Körper nun viel stärker ist und ich mich bereits an die Belastung gewöhnt und angepasst habe und ich kann euch sagen, das fühlt sich wirklich außerordentlich gut an!


Ich komme an einer kleinen Alm vorbei und während ich so an den Tischen am Zaun vorbei wandere sprechen mich zwei Männer an, ob ich morgen bereits in Meran sein will oder warum ich sonst so ein Tempo drauf habe! Ich erkläre Ihnen, dass sich der Abstieg einfach besser anfühlt, wenn man die anstrengende Belastung für die Knie und Füße im Laufschritt abfedert!

Ich komme durch ein kurzes Waldstück und an ein paar Bächen vorbei auf meinem Weg nach unten und staune alle paar Minuten, wie wunderschön diese vierte Etappe über die Alpen ist!


Nach der Waldpassage komme ich an eine Lichtung und die Bäume werden langsam wieder weniger, denn die Weideflächen zur Viehzucht der umliegenden Ortschaften häufen sich.


Die Kühe lassen sich von mir überhaupt nicht aus der Ruhe bringen und haben weitaus besseres zu tun als sich für mich zu interessieren, denn überall gibt es schönes, hohes und saftiges Gras das nur darauf wartet gefressen zu werden. Direkt danach geht es wieder in ein kühles Waldstück. Generell ist es sehr angenehm, denn die Lufttemperatur ist nich zu warm.


Nach diesem absolut wundervollen Abstieg sehe ich nun das Dörfchen Wenns dort unten friedlich im Tal liegen. Es ist so wunderbar still und unaufgeregt an diesem Tag und ich spüre eine ganz angenehme Gelassenheit und Zufriednheit in mir während ich weiter den Berg hinunter wandere.


Nach einer kurzen Weile komme ich unten im 2123 Seelen Dorf Wenns auf 962m an. Leider hat am Sonntag alles geschlossen und ich habe kaum noch etwas an Verpflegung mit mir. Meine Vorräte muss ich morgen wieder dringend auffüllen, denn mit leerem Magen wandert es sich nicht gut und schon gar nicht bei dieser Belastung.

In dieser ruhigen Ortschaft an einer Kreuzung treffe ich die Gruppe aus dem Sauerland wieder, mit denen ich mir heute Nacht das Matratzenlager geteilt habe, und die bereits so früh wach waren. Ich war gerade dabei mich zu orientieren, wie es weiter das Pitztal entlang hinauf zur Braunschweiger Hütte geht, als einer der Jungs auf mich zukommt und mir mitteilt, dass sie gerade einen Shuttle Bus für ca. 20 Personen gerufen haben, der sie zum nächsten Ausgangspunkt bringt. Er fragte mich, ob ich denn mitfahren wolle, denn es sei noch genug Platz und die Fahrt kostet 12€ pro Person. Ich nehme die Gelegenheit dankend und freue mich, dass alles so reibungslos klappt. Es kommen gerade noch rechtzeitig weitere Alpenüberquerer im Dorf an, kurz bevor der Shuttle Bus eintrifft. Wir verstauen alle unsere Rucksäcke und Wanderstöcke in dem geräumigen Kofferraum und die Sauerländer entdecken eine Kiste Bier darin. Einige von ihnen zögern nicht lange und schnappen sich ein kühles Bier für die 20 minütige Fahrt durch das Tal. Die Fahrt ist sehr interessant, denn der Busfahrer gibt sich alle Mühe uns über einige Sachverhalte in den Bergen und besonders im Pitztal aufzuklären. Er berichtet, wie hart die Winter hier sein können und was der Mensch alles unternimmt, dass er mit der Natur leben kann. Er betont, dass der Mensch die Natur nicht kontrollieren kann, sondern dass die Berge hier im Tal das Sagen haben und die Menschen darin lediglich koexistieren können.


Am Ausgangspunkt in Mittelberg angekommen, gehe ich zunächst gemeinsam mit den Jungs aus dem Sauerland los. Die drei Fittesten von ihnen haben ein ganz ordentliches Tempo drauf und ich muss mich durchaus anstrengen, um mit ihnen Schritt halten zu können. Nach 20 Minuten kommen wir an einem Materiallift an. Dort kann man sein Gepäck mit dem Lift zur Braunschweiger Hütte hinauf befördern lassen. Die Gruppe nimmt diese Gelegenheit wahr, denn manche von ihnen sind schon etwas älter und nicht mehr ganz so fit, weshalb sie diese Erleichterung dankend annehmen.

So wie es sich für mich gehört, trage ich meinen Rucksack natürlich selbst hinauf zur Hütte. Ich trenne mich an dieser Stelle von der Gruppe und sage auf Wiedersehen, denn wir begegnen uns mit Sicherheit noch das ein oder andere Mal während der Alpenüberquerung. Ich laufe also alleine weiter den leicht ansteigenden Weg entlang.

Es rauscht ein großer, breiter, braun gefärbter Fluss mit beeindruckenden Wassermassen und allerlei Sedimenten darin das Tal hinab. Das braune Schmelzwasser des Ötztaler Gletschers, den man noch nicht erblicken kann, strömt wie eine Naturgewalt die Felswand vor mir hinab.

Der Aufstieg links des Wasserfalls wird immer steiler und sogar ein kleines bisschen Kletterei ist gefragt.


Ich spüre, dass ich ziemlich hungrig werde und meine Kräfte langsam nachlassen, da ich außer dem Frühstück und einem Müsliriegel heute nichts weiter gegessen habe. Nachdem ich die etwas steilere Kletterpassage entlang des Wasserfalls hinter mich gebracht habe, komme ich auf ein breites, gerölliges Pistenstück.

Hier oben herrscht im Winter wohl sehr reger Skibetrieb, wenn ich mir die Dimensionen hier so ansehe. Ich setze mich hin und mache kurz Rast. Dabei krame ich meine letzten beiden Scheiben trockenes Brot , die noch übrig geblieben sind aus meiner Tasche und stopfe sie mir ohne alles in den Mund. Ich trinke auch noch die letzten Schlücke Wasser aus meiner Trinkblase und ruhe mich anschließend noch ein wenig aus.

Nun gut, es liegt noch eine anstrengende Stunde des Aufstiegs vor mir, um zur Braunschweiger Hütte zu gelangen. Links des breiten Pistenstücks führt ein schmaler Weg den steilen Hang hinauf. Die letzte halbe Stunde zieht sich noch einmal besonders und ich spüre, dass ich nicht mehr sehr energetisch und etwas müde bin. Den ganzen Tag über habe ich mich extrem leicht und agil gefühlt und den Rucksack kaum noch als sonderlich schwer empfunden. Nun aber habe ich ganz schön zu kämpfen und ich spüre plötzlich das Gewicht wieder, wie es mich förmlich hinab zieht und ich besonders viel Energie aufwenden muss, um die letzten, anstrengenden Höhenmeter zu bewältigen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit komme ich letztendlich dann doch an der Braunschweiger Hütte an und bin heilfroh, dass ich die Etappe für heute geschafft habe.

Ich sehe mich ein wenig in der unmittelbaren Umgebung der Hütte um, in der Hoffnung, einen geeigneten Zeltplatz für die Nacht zu finden.





Nach einer Weile gehe ich erstmal hinein in die Hütte und bestelle mir sogleich ein Skiwasser und Chili sin Carne!

Mega, ich bekomme endlich vegane Proteine, wie es besser nicht sein könnte! Der Hüttenwirt und auch die Bedienung fragen mich argwöhnisch, wo ich denn heute Nacht schlafen werde, denn Sie wollten das Essen und mein Getränk auf eine Zimmer- bzw. Bettnummer schreiben. Ich musste mich leider einer Notlüge bedienen und habe Ihnen erzählt, dass ich später noch weiter gehen werde. Ich suche mir in der Hütte eine Steckdose und hänge mein Handy ans Ladegerät. Dabei treffe ich die Gruppe der 50+ Wanderer wieder und freue mich, die vertrauten Gesichter wiederzusehen. Ich gehe wieder zurück an meinen Tisch und unterhalte mich mit den Wanderern, die dort mit mir am Tisch sitzen. Sie verwickeln mich in ein Gespräch, indem sie mich fragen, dass Sie gehört haben, dass ich der Typ sei, der für zwei Jahre mit dem Rucksack und seinem grünen Zelt, welches sie jeden Morgen sehen, auf Weltreise sei. Sie wollen von mir wissen, wie ich zu dem Gedanken gekommen bin, wie ich das geplant habe und wie ich das finanziell realisieren kann. Ich erzähle Ihnen ein bisschen von mir und meiner Lebenseinstellung und wie es dazu gekommen ist, dass ich die Entscheidung getroffen habe, diese Weltreise anzutreten. Sie fragen mich auch, woher ich ursprünglich komme und nach dem Gewicht meines Rucksacks und wie ich damit denn überhaupt zurecht komme. Ich erzähle ein bisschen von meinem bisherigen “Bergsteiger Werdegang” und, dass ich nun bereits seit etwas mehr als elf Jahren Bergsteiger sei und schon das eine oder andere extreme Erlebnis und schwierige Herausforderungen in den Bergen durchgestanden habe und, dass für mich somit diese Alpenüberquerung keine besonders technische Herausforderung sei, sondern lediglich eine Frage der Kraft und der Ausdauer ist. Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile weiter und ich erfahre, dass drei meiner Gesprächspartner aus Pegnitz in der fränkischen Schweiz kommen, wo ich aufgewachsen bin und über vier Jahre zur Schule gegangen bin. Nach einer Weile verabschiede ich mich von der Runde und bedanke mich für den netten Abend und begebe mich hinaus in die kühle Dunkelheit, um mein Zelt für die Nacht aufzustellen. Ich blicke hinab in eine Art kleinen Kessel und sehe etwas, das wie ein kleiner See aussieht. Ich steige hinab und finde einen geeigneten, trockenen und felsigen Platz direkt daneben.

Bevor ich dort hinab steige, fällt mir noch ein, dass meine Trinkblase leer ist und ich bis zur nächsten Ortschaft morgen im nächstgelegenen Tal kein Wasser mehr habe. Also gehe ich kurz auf die Toilette und fülle meine Trinkblase mit Wasser. Mir ist ein wenig unwohl dabei, denn es ist nicht immer sicher, ob man das Leitungswasser auf den Hütten trinken sollte. Aber komplett ohne Flüssigkeit bis morgen Nachmittag auskommen ist auch keine Lösung. Dann nehme ich mir lieber ein bisschen für den Weg mit, falls es brenzlig wird. Ich habe ja noch meinen Steripen dabei, der mittels UV-Licht Bakterien abtöten kann. Damit behandele ich das Wasser einfach noch zusätzlich und dann wird es wohl schon passen, denke ich mir. Ich halte den Steripen in das Wasser und normalerweise dauert es ca. eine Minute, um einen Liter Wasser aufzubereiten. Als ich das Gerät jedoch in das Wasser halte, beginnt es gleich rot zu leuchten und ich bin etwas irritiert, ob das Wasser bereits keimfrei ist oder ob es sich nicht aufbereiten lässt. Ich nehme die Trinkblase mit, verlasse die Hütte und ziehe meine Jacke zu, denn es ist kalt.

Dieser Platz gefällt mir sehr gut, denn er ist eben und ich habe einen hervorragenden Blick auf das große, von Mondlicht angestrahlte Gletscherfeld vor beziehungsweise über mir. Es ist Nacht und es wird sehr kühl hier oben. Ich werde langsam ziemlich müde und es wird Zeit schlafen zu gehen.


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