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AutorenbildNorrdine Nouar

Ein Wiedersehen mit Rom an meinem 35. Geburtstag.

Aktualisiert: 12. Nov. 2022


Es ist morgens ca. um 06:20 Uhr, als ich recht unerholt und ein wenig ramponiert von den unbequemen Bussitzen aufwache und der Busfahrer durchsagt, dass wir jetzt in Rom ankommen. Ich steige etwas verschlafen aus und ziehe den schweren Rucksack aus dem Unterbau des grünen Flixbus. Ich muss mir kaum Sorgen machen, dass mir jemand den Rucksack klaut, denn er ist eh viel zu schwer und sperrig, als dass ihn jemand schnell mitnehmen könnte. Ich stelle mir das lustig vor, wie jemand versucht, den Rucksack schnell zu schultern und wegrennen will und beim ersten Anpacken bereits das enorme Gewicht spürt und den Plan mit Überraschung und großen Augen unmittelbar verwirft.

Ich schaue mich noch leicht verpeilt in der Gegend um, bis ich mich orientiert habe, wo in dieser großen altertümlichen Stadt ich mich befinde und wie ich überhaupt vorwärts bzw. von A nach B komme.

Eins ist klar, ich brauche an diesem Morgen erstmal einen Kaffee, um mein System hoch zu fahren. Also verlasse ich den Busbahnhof Roma Tiburtina Station und steige mit einem 24 Stunden Ticket in die Metro nach Termini, dem Hauptbahnhof im Zentrum der Stadt ein.

Ich steige kurz am Bahnhof aus, um ein Cafe aufzusuchen, in dem ich ein kleines süßes Gebäckstück esse und einen Kaffee Italiano trinke, um wach zu werden und klarzukommen. Es ist noch sehr früh an diesem Samstagmorgen und die Stadt ist kaum erwacht. Nur die regelmäßigen, kleinen, fleißigen Morgengeister der Stadt, die wahrscheinlich zu den am schlechtesten bezahlten Menschen der Metropole zählen, sind wie ein Uhrwerk auch an diesem Tag bereits wach und versuchen die Stadt nach der vorangegangenen Freitagnacht Eskapade wieder in Ordnung zu bringen. Als ich so da sitze und im Begriff bin, mehr oder weniger wach zu werden beobachte ich diese Menschen. Sie kehren die Straßen, räumen den Müll auf, waschen erbrochenes weg, fahren Taxi, sperren ihre Läden auf und kochen Kaffee für Zombies wie mich. Ich kann sie nicht nicht sehen. Ich sehe diese Menschen, ihre Gesichter, die Augenringe, die alten Sehnsüchte und lang erloschenen Feuer. Nur noch Müdigkeit, Pflichtbewusstsein und täglicher Überlebenskampf. Manchmal frage ich mich, was die Gesellschaft ohne diese fleißigen, unscheinbaren und unermüdlichen armen Teufel tun würde, wenn diese Menschen nicht jeden Tag für einen Betrag, der womöglich kaum zum Überleben reicht, aufstehen würden und diese vielen kleinen unscheinbaren und bedeutungslosen Arbeiten verrichteten, die in Summe jedoch ein System aufrecht erhalten. Ich denke kurz darüber nach, erkenne die Tatsache als solche an, die Sie nunmal ist und widme mich wieder meiner eigenen Welt, bevor ich mich in einem ewigen monolog verliere.

Nach dem Kaffee schießen meine Neuronen und Synapsen wieder einigermaßen sinnvoll in der Kammer hinter meinen Augen und ich beschließe, dass ich meinen Vormittag am Colosseum verbringen will. Ich bin an diesem Tag nicht wirklich auf Sightseeing Tour aus, da ich bereits vor etwa 7-8 Jahren die Stadt schon einmal für zwei Tage intensiv mit meiner damaligen Partnerin erkundet und bestaunt habe.

Ich will an meinem Geburtstag einfach nur in der Nähe des Colosseums sitzen und die Atmosphäre der Stadt und der Antike auf mich wirken lassen. Welcher Ort wäre dazu besser geeignet als dieses monumentale und geschichtsträchtige Bauwerk? Her mit dem Brot und den Spielen! Ich fahre also wieder mit der Metro und steige an der Station “Colosseo” aus. Ich laufe die Anhöhe davor entlang und finde ein geniales Cafe direkt gegenüber dem Objekt meiner Begierde. Es ist immernoch recht früh am Morgen und die Sonne strahlt noch nicht mit voller Stärke, aber dennoch warm genug auf den Platz vor dem Colosseum hinab. Ich stehe zwar schon zum zweiten Mal hier und freue mich dennoch riesig, einfach so mit meinem Rucksack hier vor diesem ereignisreichen Ort der Geschichte zu stehen. Ich zieh mein Handy aus der Hosentasche, grinse mit einem breiten Lachen in das Objektiv der Kamera, während ich das Bild auslöse und schicke es per Whatsapp in die Heimat, um meinen Freunden und Famile an diesem Tag auf eine ganz spezielle Art und Weise "Guten Morgen" zu sagen!

Es war das Cafe La Biga und ich habe mich dafür entschieden, weil ich mich in die Sonne im Außenbereich setzen konnte und einen direkten Blick auf das Colosseum hatte. Ich setze mich dort also hin und bestelle bei dem netten Mitarbeiter aus Bangladesh einen Cappuccino, ein Bruschetta Pomodoro und natürlich, wie sollte es auch anders sein, ein Glas frisch gepressten Orangensaft. Das Bruschetta ist eine knusprig angebratene Scheibe Brot, die vorher in Olivenöl und Knoblauch getunkt wurde. Die frisch gehackten Tomaten werden ein weiteres Mal mit fruchtigem Olivenöl verfeinert und gleichzeitig, durch den aus groben Körnern gemahlenen Pfeffer und einer Prise Meersalz ergänzt. Darauf ein gerade gezupftes Blatt Basilikum, welches das Geschmackserlebnis perfekt abrundet.

Dort sitze ich nun den ganzen Vormittag einfach so da, telefoniere mit Freunden und Familie, lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen, nehme die Glückwünsche zu meinem 35. Geburtstag entgegen, genieße die Unbeschwertheit des Moments und fühle mich unendlich wohl. Warum war dieser Moment eigentlich so toll? Ich denke, die Tatsache, einfach das zu tun, wonach mein Herz verlangt, hat einen großen Anteil an dem Gefühl. Aber auch die tiefe innere Zufriedenheit und Dankbarkeit, die in mir wohnte, machen diesen Moment so besonders. Ich erfreue mich an der warmen Sonne auf meiner Haut, dass ich gesund bin, dass ich mit diesen unvorstellbaren Privilegien in unsere westliche Gesellschaft geboren wurde, die Tatsache, dass ich bei bester Gesundheit und Vitalität bin und es für mich nahezu keine Grenzen auf der Welt zu geben scheint. Ein bereicherndes Gespräch mit meiner Mam, meinen Geschwistern und meinen Freunden, per Face Call, obwohl ich gerade tausende Kilometer von ihnen entfernt und doch im Geiste so nah und verbunden bin. Was für eine aufregende und unendlich chancenreiche Zeit diese zweite Dekade des einundzwanzigsten Jahrhunderts doch ist. Ja, ich sage das ganz bewusst, obwohl gerade viel verrücktes in der Welt, wie Covid-19, der Krieg in der Ukraine, Lieferkettenprobleme und eine starke Inflation den Anfang der 2020er dominieren. Womöglich bin ich einfach nur ein hoffnungsloser Optimist, aber wenn wir diese, ja ehrlich gesagt ernstzunehmenden Probleme einmal den unendlichen Möglichkeiten und dem Wohlstand unserer Zeit gegenüberstellen kann ich einfach nur voller Begeisterung schlussfolgern, dass ich unendlich dankbar für die Tatsache bin in diesem Moment genau hier zu sein. Aber zurück zum Geschehen und weg von der Philosophie!

Natürlich darf eine Tasse heißer Cappuccino, liebevoll angerichtet, dazu ein Glas Wasser und ein knuspriges Croissant nicht fehlen. Ich schreibe weiter an meinem Buch und unterhalte mich gelegentlich mit den Jungs aus Bangladesch, die hier als Bedienung wahrscheinlich unterhalb des Mindestlohn arbeiten, den Kanadiern, die neben mir sitzen und danach mit zwei Amerikanern, die anschließend auf dem Platz der Kanadier saßen. Ich nehme das Kommen und Gehen um mich herum wahr und bringe währenddessen Zeile um Zeile zu Papier.

Nach einer Weile entscheide ich mich nochmal kurz loszuziehen, um mir den legendären Trevi Brunnen anzusehen, den ich bei meinem letzten Besuch in Rom leider nicht bestaunen konnte, da er damals restauriert wurde. Zu Fuß wandere ich durch die schmalen Gassen der Stadt immer Nordwest, um auf meinem Weg zum Brunnen die wuselige Stadt und ihren Puls in mich aufzunehmen.

Nein das ist nicht der Trevi Brunnen und auch nicht der Neptun Brunnen. Es ist nur einer von vielen unzähligen Brunnen in der Stadt, die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen und mich faszinierten. Tausende, wenn nicht millionen Kubikmeter Wasser mussten die alten römischen Bauherren damals aus der Ferne mittels Aquädukten und Cleverness in die Stadt leiten, um den immensen Bedarf an frischem Wasser für Brunnen, Bäder und Wassersystem zu decken. Zurück in der Gegenwart lösen wir diese Herausforderungen nun etwas anders, aber der immense Bedarf ist immernoch gewaltig. Viele verwinkelte Gassen, Ecken, Biegungen, auf und ab zusammen mit vielen Menschen durchquert man, wenn man zu Fuß durch die Stadt von einem Ort zum nächsten läuft. Am Trevi Brunnen angekommen, bin ich zunächst überwältigt von der Dimension und Ausmaß der Sehenswürdigkeit.

Der gewaltige Brunnen mit dem majestätisch anmutenden Okeanos im Zentrum verblüfft mit seiner Schönheit und Detailgrad aus weißem Kalkstein (sog. Travertin) und Marmor. Tausende Menschen, Touristen aus aller Welt tummeln sich hier, um dieses einzigartige Meisterwerk der Architektur und Bildhauerkunst zu bestaunen.

Auch ich bin überwältigt von diesem Anblick, verweile aber nicht allzu lange, denn die Menschenmenge schreckt mich etwas ab. Ich erkenne im Wasser viele funkelnde Geldtsücke und Münzen von den vielen Besuchern, die Tag für Tag hier her kommen und sich einen tollen Wunsch ausdenken, während sie das runde, geprägte Metallstück in das klare Wasser des hellen Marmorbrunnen werfen. Es sind unendlich viele Träume und Wünsche, schwerwiegend oder oberflächlich, aussichtslos oder hoffnungsvoll. Voller Schmerz und Angst oder voller Vorfreude. Sie alle landen darin Ich glaube zwar nicht an solche Traditionen, aber tue es den anderen Menschen dennoch gleich. Ich stehe an einer erhöhten Stelle auf der rechten Seite des Brunnens, krame ein Geldstück aus meinem Geldbeutel, drehe mich mit dem Rücken zum Brunnen und werfe das Geldstück in hohem Bogen hinter mich in das Wasser des Brunnens, während ich mir dabei einen Wunsch ausdenke über den ich hier natürlich nicht berichten darf.

Ich beschließe den Brunnen später noch einmal bei Nacht aufzusuchen, wenn kaum noch jemand unterwegs ist. Ich schaue auf die Karte meines Handys und wollte nochmal das Pantheon besichtigen, das nicht allzu weit von mir im Südwesten entfernt ist, da mich beim letzten Mal seine antike Gestalt so sehr in den Bann gezogen hatte.

Ich nähere mich dem großen Platz an dem das Pantheon steht und strahle erneut, als ich dieses Bauwerk erblicke. Ich glaube ich bin so sehr von diesem Gebäude angetan, weil es eines der besterhaltensten Gebäude der Antike ist und weil seine Konstruktion in der Antike eine bauliche Herausforderung darstellte und ein Meilenstein der Architektur war.

Dort hinter mir steht geschrieben: Marcus Agrippa, Lucii Filius, Consul Tertium Fecit, was man mit Marcus Agrippa, Sohn des Lucius, dreimaliger Konsul, hat dies gebaut übersetzen kann.

Anscheinend begeistern mich Taten, die mit der Konvention brechen und das unmöglich geglaubte real machen. Dieser Mut, der Ungehorsam, das Selbstvertrauen und der Optimismus es zumindest zu versuchen, auch auf die Gefahr hin zu scheitern sprechen mir tief aus der Seele und deswegen bewundere ich die Pioniere der Vergangenheit und auch die zukünftigen Pioniere, die da noch kommen mögen. Als ich vor dem faszinierenden Gebäude sitze, fallen mir wieder die ägyptischen Obelisken der Stadt auf, über die ich damals gelesen hatte.


Sie sind überall in der Stadt verteilt und haben unterschiedliche Geschichten, die allesamt interessant und lesenswert sind. Zuletzt wollte ich die spanische Treppe noch einmal bei Tageslicht ansehen und bestaunen, denn ich hatte sie das letzte Mal nur bei Nacht gesehen.

Natürlich könnte ich ganz schnell und bequem mit der U-Bahn dorthin fahren, aber irgendwie habe ich an diesem Tag besondere Lust, mit meinem Rucksack durch die Stadt zu laufen und alles auf mich wirken zu lassen.

Dort angekommen, steige ich die Stufen bis ganz nach oben hinauf, stelle meinen Rucksack ab und setze mich auf die breite steinerne Brüstung und blicke über diese einzigartige Stadt. In der Ferne sehe ich noch so viele unzählige und sehenswerte Bauwerke, die es allemal wert wären, dass ich mir sie auch noch ein zweites Mal an diesem Tag ansehe.

Da wäre beispielsweise der Vatikan und der Petersdom und besonders genial fand ich damals die Engelsburg, in der ich wohl über zwei Stunden verbracht hatte. Aber ich bin diesmal nicht hier, um Rom komplett zu erkunden, sondern vielmehr, weil ich einfach Lust hatte hier zu sein und ganz entspannt die Stadt auf mich wirken lassen will. Und das tue ich erneut, indem ich hier sitze und die Atmosphäre, als auch die Dualität und Präsens zwischen Antike und Moderne versuche zu erfassen.

Wann immer ich an einen geschichtsträchtigen Ort wie diesen reise, versuche ich vorher so viel wie möglich darüber zu erfahren und tauche in die Entstehungsgeschichte ein, damit ich ein besseres Gefühl und Wertschätzung für das Erlebte entwickeln kann. So habe ich mir auf dem Weg in die italienische Hauptstadt die ereignisreiche Entstehungsgeschichte des kleinen Städtchens Roms 753 vor Christus bis hin zum Weltimperium und seinen tragischen Untergang im fünften und sechsten Jahrhundert nach Christus zu Gemüte geführt.


Es erscheint manchmal fast surreal und nur wie eine fiktive, fantasieerzählung, wenn man im 21. Jahrhundert durch diese Städte streift, die Bauwerke bestaunt und man versucht, sich in den Zeitgeist von damals mit seinen Sitten und Gepflogenheiten hineinzuversetzen. Wenn man Geschichten von Hannibal aus Karthago, das andere mächtige Reich zu jener Zeit an der nordafrikanischen Küste (heute Tunesien) hört, der mit Elefanten um das gesamte Mittelmeer über Gibraltar und Spanien herum und über die Alpen nach Italien kam oder wenn man fiktive Geschichten aus dem zweiten Zeitalter der Herr der Ringe Saga liest, kann man im Geiste kaum noch wirklich unterscheiden, was wa(h)r und was fiktiv ist, denn die tatsächliche Vergangenheit hört sich manchmal so unvorstellbar surreal und ebenfalls fiktiv an.


Erneut in Gedanken versunken sitze ich da auf dieser Brüstung, starre in die Ferne und blicke auf die Dächer der Stadt, im Geiste eine römische Familie und ihr Tagwerk im Jahre 0 visualisierend.

Es ist schon faszinierend, welche unterschiedlichen Gedanken einen Menschen an solchen Orten ereilen. Manche denken daran, wie diese Treppe erbaut wurde, manche an geschichtsträchtige Ereignisse die hier stattgefunden haben und manch andere widerum denken daran, wenn sie die Spanische Treppe hoch gehen, sich oben hinsetzen und von dort heruntersehen würden, dass die Ikonen Audrey Hepburn und Gregory Peck 1953 hier bei den Dreharbeiten gesessen haben.

Ich erwache aus meinem Tagtraum nach einer Weile und beschließe weiter zu ziehen, denn ich möchte mir heute unbedingt noch ein ultra leckeres Stück Geburtstagstorte gönnen. Fest entschlossen steige ich die Treppen mit meinem Rucksack auf dem Rücken wieder hinab und suche mir ein geeignetes Cafe bzw. Patisserie, um die Backkunst der Römer aus erster Hand zu erfahren. Ganz in der Nähe der spanischen Treppe werde ich fündig, es ist ein sehr tolles, extrem kleines und alternatives Cafe mit einer wundervollen Auswahl an Gebäck und spannenden Köstlichkeiten.

Ich betrete das (Steh)cafe und entscheide mich für ein saftiges Stück Blaubeer-Kuchen und ein ebenso leckeres Stück Apfel-Zimt-Kuchen.

Die Stücke sind nicht sehr groß und werden abgewogen und folglich pro 100 Gramm abgerechnet.

Happy Birthday zum 35. Norrdine! Denke ich mir und grinse etwas beknackt vor mich hin :P !

Ich finde schnell heraus, dass es dieser süßen Geschmackserfahrung nicht sehr viel benötigt und man bereits mit kleinen Mengen überaus zufrieden ist. Dabei trinke ich einen Cappuccino mit Sojamilch und sitze zufrieden da, während ich die Italiener ein weiteres Mal beobachte.


Zwei weitere Stücke, die wie Pizza oder kreative Flammkuchen aussehen, erregen meine Aufmerksamkeit und Appetit, also schlage ich erneut zu. Hey verurteilt mich nicht, denn ich habe schließlich heute noch nicht sooo viel gegessen :D.

Gut gesättigt und geschmacklich befriedigt, bezahle ich und verlasse das Cafe in der kleinen Seitenstraße. Nun muss ich mir Gedanken über eine Unterkunft machen. Ich hatte eine amüsant klingende Absteige etwas außerhalb von Rom am Meer gefunden, aber musste leider feststellen, dass dort heute Nacht kein Platz mehr für mich ist, weshalb ich das Hostel Lodi im Südosten der Stadt aufsuche.

Ich steige in die Metro an der spanischen Treppe ein, fahre bis nach San Giovanni und laufe hinüber in den Stadtteil Lodi. Ich checke in das Hostel Lodi ein, deponiere meinen Rucksack auf dem Zimmer und ziehe nochmal los, um mir ein fruchtiges Abendessen in der Umgebung zu suchen. An einem Früchteladen um die Ecke werde ich fündig und decke mich mit

Bananen, Weintrauben, Melonen, Äpfeln ein und beschließe, dass dies mein Abendessen wird, welches ich im schön angelegten Garten des Hostels genießen werde. Ich sitze dort noch ein wenig draußen, während es bereits dunkel geworden ist und genieße die, noch warme Luft an diesem Spätsommerabend und träume in Gedanken vor mich hin, wie meine weitere Reise aussehen könnte und wie es von hier weiter geht. Ich schlafe unter den vielen Eindrücken der Stadt am heuteigen Tage mit einem befriedigtem Geist ein, während die Metropole um mich herum weiter durch die Nacht lebt und im Unterbewusstsein weiß ich, dass das Wasser in den unzähligen Brunnen der Stadt weiter unaufhörlich in der Dunkelheit vor sich hin fließt und plätschert.


Am 11. Tag meiner Reise am 11.09.2022 bin ich nun 35 Jahre und einen Tag alt und beginne den Tag optimistisch und gut gelaunt! Ich wache morgens als erster in unserem Raum auf und gehe leise zum Frühstück draußen im Garten des Hostels, der recht einladend angelegt ist.

Man vernimmt einen leichten Duft von frischen Zitronen, die noch an den Bäumen im Garten hängen und reifen. Dieser Duft, die warme Luft, eine stark scheinende aufgehende Sonne und ein italienisches Frühstück bescheren mir einen perfekten Morgen in dieser mediterranen Atmosphäre.

Man bringt mir Kaffee, Multivitaminsaft und zwei süße Stückchen auf einem Tablett nach draußen. Ich genieße das Frühstück, muss jedoch feststellen, dass sich die Italiener mit ihrer Esskultur sehr reich an Kohlenhydraten ernähren. Man denke nur an Pizza, Spaghetti, italienische Süßigkeiten und Schokolade. Meine Ernährung muss ich zukünftig besser in den Griff bekommen und abwechslungsreicher gestalten. Ich gehe zurück aufs Zimmer und packe meine Ausrüstung zusammen. Dort unterhalte ich mich mit Sky aus Texas und Los Angeles, der nach einer langen Nacht gerade wach wurde und wir beschließen gemeinsam einen Kaffee auf einer Piazza in Lodi trinken zu gehen. Wir verbringen den Vormittag gemeinsam und unterhalten uns außergewöhnlich gut über die vielfältigsten Dinge. Wir trinken mehrere Tassen Cappuccino, erstens, weil er sehr gut schmeckt und zweitens, weil wir von einem Thema zum nächsten gelangen, außerdem erzählt er mir, dass er Literatur und Philosophie studiert hat. Ich erzähle ihm von meiner Zeit als Bergsteiger und berichte von so manchen Erkenntnissen und Metaphern des Bergsteigens, die sich perfekt auf unser alltägliches Leben anwenden lassen. Er erzählt mir von seiner Faszination für die Philosophie, die Liebe, die Komplexität der Frau und wir teilen unterschiedliche Erfahrungen über die Dualität des Lebens aus. Ich erzähle ihm, dass ich plane ein Buch über die Philosophie des Bergsteigens oder das Leben eines Bergsteigers zu schreiben und dass dieses Buch schon lange in mir schlummert und ich immer stärker fühle, dass das Buch nun endlich geschrieben werden möchte. Als ich ihm von manchen meiner Erfahrungen in den Bergen erzähle ist er “mind blown” und er plant sogleich bei der nächsten Gelegenheit, wenn er wieder in seiner Heimat ist auf einen Berg zu steigen mit dem Bewusstsein über die Dinge und Ansichten, die ich ihm an diesem Vormittag erzählt habe. Ich schlage vor, dass ich den Mount Whitney in Californien mit ihm besteige, sollte ich in die USA kommen.

Ihn von der Faszination des Bergsteigens zu überzeugen, ist mir wohl gelungen. Wenn ihr jetzt neugierig seid, welche Dinge das genau waren, muss ich euch leider vertrösten. Diese Geschichte, dieses Buch ist mir außerordentlich wichtig und benötigt noch einiges an Zeit, bis ich es veröffentlichen kann. Er hat noch einige Fragen an mich über Berlin, Deutschland und die Menschen, die dort leben, denn die Deutsche Kultur fasziniert ihn seit jeher, als er Philosophie studierte.

Nach einer unheimlich bereichernden Unterhaltung und einer “herzlichen” Umarmung zweier Seelen gehen wir getrennte Wege. Sky möchte Rom erkunden, während ich beschließe meinen Laptop und meine externen Festplatten auszupacken, um mich weiter um mein bald gebändigtes Datenchaos zu kümmern. Ich habe auf diesen administrativen Orgakram zwar keine Lust, aber ich kann es einfach nicht länger aufschieben, wenn ich den Überblick nicht verlieren möchte. Es sind so viele tolle Bilder und Videos von meinen Touren, aber ich kann sie nur teilen und aufbereiten, wenn ich mich in der Fülle auch zurecht finde.

Nach getaner Arbeit wollte ich zum Fußballstadion fahren, um mir das Spiel Lazio Rom gegen Verona anzusehen. Ich dachte ich war rechtzeitig genug unterwegs, aber aufgrund meiner Unfähigkeit italienisch zu verstehen, stand ich Ewigkeiten an der falschen U-Bahn Linie nur um herauszufinden, dass ich vergeblich warte und mit einer anderen Linie fahren muss, um mein Ziel zu erreichen. Ich habe dadurch so viel Zeit verloren, dass ich etwa zehn Minuten zu spät am Stadion angekommen bin.

Das wird schon kein Problem sein, dachte ich mir, dann verpasse ich eben die ersten zehn Minuten des Spiels. Als ich dort ankam, musste ich jedoch zu meinem Unverständnis erfahren, dass es nach Anpfiff keinen Einlass mehr ins Stadion gibt, wenn man kein Ticket hat. Alle Ticketschalter sind jedoch bereits geschlossen. Völlig irritiert und ungläubig akzeptiere ich die Tatsache und finde mich damit ab, dass ich das Spiel wohl heute nicht live sehen kann. Ich gehe also unzufrieden zu den Imbissständen gegenüber des Stadions und bestelle mir eine Kleinigkeit zum Essen und etwas zu trinken, während ich den Spielverlauf über den Liveticker verfolge. Ich stelle fest, dass das Spiel wohl zum gähnen lahm war und ich nicht wirklich viel verpasst hatte. Ich beschließe, noch ein wenig durch Rom zu wandern und höre währenddessen weiter mein Hörbuch über das Römische Imperium.

Am Ende waren es eine Völkerwarnderung, Missmanagment, Größenwahn und Arroganz, die dieses fast schon ewig währende und unveränderliche Reich zu Fall gebracht haben und den Untergang dieser großartigen, wenn auch kontroversen Zivilisation und Epoche eingeleutet haben.

Während ich jedoch hier im Jahr 2022 einen Fuß vor den anderen setze, laufe ich zurück zum Hostel und entschließe mich noch an diesem Abend den Nachtbus über Venedig nach Zagreb in Kroatien zu nehmen, denn ich möchte endlich meine Reise gen Osten antreten. Also los geht's! Ich mache mich auf den Weg zum Busbahnhof und nehme den Nachtbus. Ich lausche den Geschichten aus dem alten Rom, während mich der Busfahrer langsam aber sicher nach Norditalien fährt.


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